Eigentlich hatte Horst sich für diesen Abend nichts mehr vorgenommen. Ihm wäre im Traum nicht eingefallen, dass er morgen in einer anderen Stadt, geschweige denn in einem anderen Land aufwachen würde, ohne auch nur den Hauch einer Ahnung wieso. Nein, die Abendplanung versprach bodenlose Langeweile mit dem absoluten Spaß des Abendprogramms von RTL.
Es ist 18:30 Uhr, ein Samstag Abend, noch taghell. „So langsam kann man sich jetzt ja mal seinen Jogger entledigen und einen chilligeren Modus einschlagen. Immerhin war es eine anstrengende Arbeitswoche in der Kartonagen Fabrik“. Kaum ist die Feinripp gezielt auf das hellbeige Stoffsofa platziert, klopft es wie wild an der Tür. „Ich bin beschäftigt!“ brüllt Horst etwas launisch. Doch den Klopfenden scheint das wenig Unmut zu machen, welcher weiter versucht Aufmerksamkeit zu erhaschen, indem er volle Lotte in das Wohnzimmer von Horst starrt. Es ist Udo, das Schlitzohr von seiner Arbeit. Mit ihm ist die Ausbildung in seinem Betrieb wesentlich amüsanter geworden, nicht umsonst nennt ihn der Meister nur noch Quetschi. Er hat sich tatsächlich seine Hoden gequetscht. Auf der Arbeit. In einer Quetsche. Ein riesen Spaßvogel.
Irgendetwas scheint ziemlich dringend zu sein. Horst lässt ihn rein. Udo ist etwas verunsichert, bei dem Anblick des Wurstsalates der ihm unweigerlich offenbart wird. Dennoch lässt er sich nicht von seiner dringlichen Neuigkeit abbringen und erklärt Horst in wenigen Sätzen die neue Abendplanung. „Und deshalb kommen gleich noch Frankie und Winnie vorbei!“, schließt er aufgeregt den letzten Satz ab. Horst kann kaum glauben, dass dieser Abend wohl doch noch aufregender werden würde, als ihm sein Outfit versprechen würde. Eine Hose anzuziehen widersprach ihm allerdings doch, da er sich schon dafür festgelegt hatte. Horst ist ein Mann mit Prinzipien.
Sonntag Nachmittag, irgendwo anders. „Horst, um Himmels Willen, der Nudelsalat.“ Horst rückt sich seine Unterhose zurecht und weiß nicht wie ihm geschieht. Gleißendes Licht, schottische Musik spielt in krächzender Art und Weise, ein nicht vertrautes Zimmer, einen ganz intensiver Mundgeruch. Alles Anzeichen einer überaus gelungenen Nacht. „Was zum Geier ist denn passiert?“ Fragt Horst einen ihm unbekannten, der jedoch offenbar kein Deutsch versteht. „Udo, wer ist dieser lebenswerte Typ?“ – „Wie meinst du das Horst? Dein Teamkollege, Jakub“ – „Wo sind wir?“ – „Horst, mach dich locker. Alles ist gut. Mach dir auch keine Sorgen über die beiden Flecken auf deiner Decke, das habe ich alles geklärt.“
„Winnie hat mir doch gestern noch sein neues Partyspiel vorbei gebracht. So kotzen hab ich dich noch nicht gesehen, sehr geil Horst!“ – „Was denn für ein Partyspiel?“ – „Leberschuss. Das haut dir glatt die Leber weg. Weißt du denn gar nichts mehr?“ – „Hm, doch klar, Leberschuss! Das haben wir doch gestern erst gespielt. Gutes Partyspiel.“ Horst kommt sich blöd vor. Nicht nur, dass er keine Ahnung hat, wo sie sich befinden, was in den letzten 20 Stunden passiert ist und warum er keine Hose anhat, er hatte noch nie was von einem Leberschuss gehört. Dennoch zieht es ihm sein Magen komplett auf Links, wenn er über den Begriff Leberschuss nachdenkt. Kotzend hört Horst seinem Freund weiter zu: „… als du dann zum vierten mal gemamat wurdest, haben wir dich gar nicht mehr von dem Lebertisch wegbekommen. Und deine Oma war ja auch schon längst verspielt. Ich hätte mir an deiner Stelle auch nicht Jakub als Partner ausgesucht. Der Trifft ja kein Scheunentor. Als dann gar nichts mehr ging haben wir endlich Leberdame rausgeholt.“ Horst guckt erschrocken hoch. „Wir haben also Leberschuss gegen Leberdame ausgetauscht?“ – „Du sagst es. Leberdame hat uns dann alle komplett ausgezogen. Frankie hat sich ja noch nicht einmal von Leberkegeln wieder eingekriegt, aber der ist ja auch kein Maßstab. Von dir hingegen habe ich weniger erwartet. War nicht besonders ansehnlich das ganze, aber bei Leberschuss hast du ordentlich kassiert.“